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Sonnenaufgang auf Mallorca: Mehr als Abdrücken

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Ein typisches Urlaubsbild: Für die Fotografin ein wunderbarer Moment, für die Betrachter ein lauer Sonnenaufgang mehr. Kann man das ändern?

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Melanie Steiner).

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Melanie Steiner).


Kommentar der Fotografin:

Am Morgen in Mallorca

Peter Sennhauser meint zum Bild von Melanie Steiner:

Es gibt wohl kaum ein typischeres Urlaubsbild als der Sonnenauf- oder Untergang am Meer, mit Wolken am Himmel, Spiegelung im Wasser und wenig, das uns im Bild festhält.

Und das, obwohl hier einiges passiert: Die Sonnenstrahlen schiessen über den Wolken durch den Himmel, die Sonne selber ist halb verdeckt von den Wolken, unten links ist ein Fischerboot und gradeaus in der Bucht etwas anderes, vielleicht ein Schwimmer, im Wasser zu sehen.

Aber Bilder wie dieses haben wir alle zu oft gesehen, meist wissen wir sogar, was die Fotografin ablichten wollte und leiden ein wenig mit ihr, weil auf dem Papierabzug einfach nicht ein Hauch der Stimmung aufkommen will, wie sie an diesem Morgen herrschte. Und meistens sagen wir jetzt irgendwas wie “ja, diese herrliche Morgenstimmung!” und versuchen vom Bild abzulenken, um nichts über die Fotografie selber sagen zu müssen:

Dabei würden wir wahrscheinlich so mancher frustrierten Urlaubsfotografin und manchem Fotografen einen Gefallen tun, wenn wir ein paar einfache Hinweise lieferten, wie solche Erinnerungen attraktiver fotografiert werden können.

Deswegen habe ich dieses Bild gewählt, um ein paar einfache Schritte aufzuzeigen, wie man mehr hätte aus diesem zweifellos grossartigen Morgen machen können.

Als erstes ist es die ganze Komposition, die zwar Ansätze eines künstlerischen Sehens verrät, aber keinerlei kompositorisch spannende Umsetzung: Der Horizont liegt in der horizontalen Bildmitte, die Sonne in der vertikalen.

Das sind typische Anfängerfehler, die sich mit ebenso einfachen Gegenregeln ausmerzen lassen: Abweichungen aus dem “Fadenkreuz”, der totalen Mitte, bringen sofort Spannung ins Bild. Die Drittel-Regel oder der Goldene Schnitt wären die fortgeschrittene Version, fürs erste reicht es, vom Offensichtlichen abzuweichen. Der Tipp lautet: Nichts in der Bildmitte halten, weder vertikal noch horizontal.

Das gleich gilt für den Standort und Aufnahmehöhe: Wir versuchen naturgemäss, auf Augenhöhe und über die in unserer unmittelbaren Nähe stehenden und liegenden Dinge hinweg “Landschaftsaufnahmen” zu schiessen. Das ist genau falsch: Spannende Bilder entstehen, wenn Du in die Knie gehst und den Liegestuhl, den Pool, den Ölbaum, was immer hier vor Dir lag, ins Bild einbeziehst – und zwar bitte nicht genau in der Mitte. Der Tipp hiesse: Beziehe etwas unmittelbaren Vordergrund ein.

Das Fischerboot am linken Bildrand ist wie zufällig auch noch im Bild. Wie wenn es Dir nicht ganz gelungen wäre, es aus dem Ausschnitt zu kriegen – dabei hättest Du das genau Gegenteil tun können: Nimm das Element in die Komposition auf – hier würde es nicht nur inhaltlich, sondern auch geometrisch sehr gut passen.

Die Belichtung erscheint korrekt, dank dem Umstand, dass die Sonne grade hinter den Wolken verschwindet – aber das Bild hat kaum Kontrast, die Kamera hat versucht, lichttechnisch eine alltagssituation zu erkennen. Mit der Belichtungskorrektur (+EV) oder aber der Motiveinstellung “Gegenlicht” lässt sich das an jeder Kompaktkamera beheben. Es lohnt sich, sich einmal mit den Einstellungen für Extremsituationen wie Gegenlicht oder Nachtaufnahmen auseinander zu setzen und zu experimentieren, am besten vor der Urlaubsreise. Das Handbuch der Kamera bietet dafür einen Anfang – und manchmal staune ich doch, wieviele Touristen in stockdunkler Nacht durch spiegelnde Fensterscheiben hindurch Nachtaufnahmen zu blitzen versuchen oder die Liebste direkt vor der Sonne am Strand der ungeblitzten Umnachtung anheimfallen lassen.

Mit einem Minimum an Nachbearbeitung können schliesslich auch die Belichtungsfehler, der Kontrast und kleinere Dinge wie hier der schiefe Horizont repariert werden. Diese Nachbearbeitung gehört zum Fotografieren und ist uns bisher vom Labor abgenommen worden (das uns auch gnädig wissen liess, welche Aufnahmen vollends missglückt und deshalb nicht zu bezahlen waren…). Für die wichtigsten Eingriffe braucht man keinen Photoshop, jede kostenlos mit der Kamera gelieferte Software oder auch Programme wie Googles Picasa können dabei helfen.

All diese Dinge helfen nicht nur, sich vom absoluten Durchschnitt abzuheben: Wenn auch nur ein klein wenig mehr Anspruch drin steckt, transportieren die Bilder sofort deutlich mehr von der Emotion des Fotografen oder der Fotografin – und das ist es, was eine Fotografie nicht nur zu einer schöneren Erinnerung, sondern auch spannend für die Nachbarn und andere macht, die sich den Urlaub auf Papier oder in Diaform ansehen müssen dürfen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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